Der Ausbau der Offshore-Windenergie schreitet voran: In acht Baufeldern der deutschen Nord- und Ostsee werden derzeit Fundamente errichtet und Windkraftanlagen installiert, mehrere hundert Anlagen sollen in diesem und im nächsten Jahr schrittweise ans Netz gehen und dann für sauberen Strom sorgen. Zusammen mit den vier Meereswindparks, die bereits am Netz sind, wird die hierzulande installierte Offshore-Leistung dann rund 3.000 Megawatt (MW) betragen.
Im internationalen Vergleich hat die hiesige Offshore-Windindustrie gemessen an den angemeldeten Patenten mit Abstand die Technologieführerschaft inne, wie jüngst eine Untersuchung von Germanwind, einer Tochter der Windenergie-Agentur WAB, gezeigt hat. Das sind die guten Nachrichten. Weniger glänzend stellt sich die andere Seite der Medaille dar. Nach monatelangen politischen Diskussionen über die künftigen Rahmenbedingungen sind weitere Investitionen bisher ausgeblieben, der Industrie geht angesichts fehlender Folgeaufträge die Arbeit aus. Mehrere Produzenten von Großkomponenten haben mittlerweile Arbeitsplätze abgebaut oder Kurzarbeit angemeldet, weitere Jobs sind akut in Gefahr.
Dabei hatte es Ende vorigen Jahres noch so ausgesehen, als würde neuer Schwung in die Sache kommen. „Der Knoten ist geplatzt“, hatte WAB-Geschäftsführer Ronny Meyer im November gesagt, nachdem der damalige Bundesumweltminister Peter Altmaier Branchenvertretern in einem persönlichen Gespräch zugesichert hatte, das so genannte Stauchungsmodell um zwei Jahre verlängern zu wollen. Das laut aktuellem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) für bis Ende 2017 in Betrieb genommene Windkraftanlagen geltende Modell besagt, dass Windparkbetreiber in den ersten acht Jahren von einer erhöhten Anfangsvergütung von 19 Cent pro Kilowattstunde (kWh) profitieren können, die anschließend auf 3,5 ct/kWh abgesenkt wird. Im Januar kündigte der neue Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel dann an, die Förderung um ein ct/kWh für 2018 und um ein weiteres ct/kWh für 2019 verringern zu wollen. „Für die EEG-Umlage würde sich daraus nur ein geringer Effekt ergeben, für die Wirtschaftlichkeit eines Offshore-Projekts wäre der Effekt dagegen ganz enorm“, kritisiert Meyer. „Mindestens genauso schlimm ist allerdings, dass in einer Branche, in der internationale Player an Bord sind und in der es um Milliardeninvestitionen geht, offenbar ein Ministerwort nichts zählt.“
War es bisher stets der politische Wille gewesen, die Offshore-Windenergie bis 2020 auf 10.000 MW und bis 2030 auf 25.000 MW auszubauen, hat die jetzige Bundesregierung die Ausbauziele auf 6.500 MW bis 2020 und 15.000 MW bis 2030 zurückgestutzt. Insbesondere das neue Ziel für 2030 ist aus Sicht der Offshore-Branche viel zu wenig ambitioniert, um die Energiewende zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Darüber hinaus kritisieren Unternehmen und Verbände an dem derzeit vorliegenden Gesetzesentwurf zur EEG-Reform neben der geplanten Degression innerhalb des Stauchungsmodells vor allem die vorgesehene Deckelung der durch die Bundesnetzagentur zuweisbaren Netzanbindungskapazitäten auf 6.500 MW bis 2020. Wenn es dabei bleibe, sei selbst das verringerte Ausbauziel nicht zu erreichen, heißt es.
Momentan wird noch intensiv über die Details des neuen Gesetzes diskutiert. Laut Zeitplan der Bundesregierung will das Kabinett am 9. April über den Entwurf entscheiden, um ihn dann zur Beratung an Bundesrat und Bundestag weiterzuleiten. Schon am 1. August soll das neue EEG in Kraft treten. Trotz der aktuellen Schwierigkeiten gibt sich WAB-Chef Meyer optimistisch, dass die Branche mit einem blauen Auge aus der Krise kommt und die Offshore-Industrie demnächst wieder Aufträge verbuchen kann, wenn die Politik jetzt das richtige Umfeld dafür schafft: „Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, werden auch die Projekte kommen.“
Ein ausführlicher Bericht über die derzeitige Lage in der Offshore-Windbranche mit einem Überblick über alle aktuellen Projekte ist in der April-Ausgabe der „Hansa“ (International Maritime Journal) auf den Seiten 18 bis 22 zu lesen.