Bremerhaven kämpft um Offshore-Zukunft

Bremerhaven ist Standort der ersten Stunde, wenn es um Offshore-Windenergie in Deutschland geht. Welche Rolle die Stadt an der Wesermündung künftig für die Branche spielen wird, ist jedoch ungewiss: Zuletzt lief es bei Weitem nicht mehr so rund wie in den Anfangsjahren.

Container Terminal Bremerhaven mit Errichterschiff

Container Terminal Bremerhaven mit Errichterschiff

Als sich 2003 der Turbinenbauer Multibrid (später Areva, jetzt Adwen) in Bremerhaven ansiedelte und Ende 2006 auch sein Mitbewerber Repower (jetzt Senvion) verkündete, in direkter Nachbarschaft seine Zelte aufschlagen zu wollen, klopften sich Lokal- und Landespolitiker sowie Wirtschaftsförderer gegenseitig auf die Schultern. Die frühe Entscheidung, den Standort als Kompetenzzentrum für Windenergie entwickeln zu wollen und dafür auch die heute bundesweit agierende Windenergie-Agentur WAB zu gründen, hatte sich bezahlt gemacht. Neben verschiedenen Dienstleistern aus der Branche kam mit Weserwind zudem ein Hersteller von Fundamenten nach Bremerhaven. Hafenanlagen wurden schwerlastfähig gemacht und konnten fortan die großen Errichterschiffe abfertigen, Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik festigten den Ruf der Stadt als Offshore-Hochburg. Das Land Bremen begann mit den Planungen für ein modernes Offshore-Terminal (OTB), das ursprünglich 2014 fertig sein und weitere Unternehmen anziehen sollte. In den Hochzeiten zwischen 2010 und 2013 waren in Bremerhaven knapp 4.000 Menschen im Bereich Offshore-Windenergie beschäftigt.
Heute bietet sich ein anderes Bild, von der Euphorie der Anfangszeit ist nicht mehr viel zu spüren. Nach Angaben des Bremer Wirtschafts- und Häfenressorts ist die Zahl der Arbeitsplätze in der Offshore-Industrie auf aktuell rund 1.500 gesunken, und weitere Entlassungen stehen unmittelbar bevor. Weserwind musste schon Anfang 2015 Insolvenz anmelden, weil sich die massiven Tripod-Fundamente des Herstellers gegen die schlankeren Monopiles und Jackets der Mitbewerber auf dem Markt nicht durchgesetzt haben. Aktuell ist ungewiss, wie es mit dem Turbinenproduzenten Adwen weitergeht, der erst vor wenigen Monaten die Installation eines Acht-Megawatt-Prototypen in Bremerhaven abgeschlossen hat. Mit einem Rotordurchmesser von 180 m gilt die Anlage als derzeit größtes Windrad der Welt: Ob sie am jetzigen Produktionsstandort auch in Serie geht, ist allerdings mehr als fraglich. Der französische Atomkonzern Areva hatte sich vorigen Herbst von seinen Anteilen am Unternehmen getrennt und sie dem bisherigen Joint-Venture-Partner Gamesa übertragen – der wiederum im April dieses Jahres mit der Windsparte von Siemens zusammengegangen ist. Und Siemens hat bekanntlich nicht weit entfernt in Cuxhaven gerade ein eigenes Werk gebaut. Fest steht, dass die Produktion bei Adwen vor Kurzem ausgelaufen ist, weil nach Abschluss der Turbinenfertigung für den Ostsee-Windpark „Wikinger“ keine Folgeaufträge in der Pipeline waren.
Und auch beim benachbarten Hersteller Senvion beziehungsweise seinem unter dem Namen Powerblades firmierenden Rotorblattwerk stehen zahlreiche Arbeitsplätze vor dem Aus. Im März hatte das Unternehmen mitgeteilt, seine Gondelwerke in Husum und Brandenburg sowie das Rotorblattwerk in Bremerhaven schließen und so insgesamt 730 Arbeitsplätze streichen zu wollen. Ein Alternativkonzept, dass die Betriebsräte daraufhin erarbeiteten, um möglichst viele Jobs zu erhalten, lehnte die Geschäftsführung Mitte Juli ab. Einen weiteren Rückschlag hat unterdessen der OTB erlitten: Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen hat kürzlich den voriges Jahr verhängten Baustopp bestätigt, wodurch nun auch der zwischenzeitlich angepasste Zeitplan zur Inbetriebnahme des neuen Offshore-Hafen im Jahr 2019 nicht mehr einzuhalten ist.

Ein ausführlicher Bercht über den Offshore-Standort Bremerhaven ist in der August-Ausgabe der „Hansa“ (International Maritime Journal) auf den Seiten 74 und 75 zu lesen.

Die Aufbruchstimmung in den Häfen ist vorbei

Während sich Cuxhaven nach wie vor über die Ansiedlung von Siemens freut, sind andere Hafenstandorte inzwischen zurückhaltender geworden, was das Geschäftsfeld Offshore-Windenergie angeht.

Die Offshore-Windenergie hat sich für einige deutsche Hafenstandorte als wichtiges zusätzliches Standbein etabliert – insgesamt haben sich die großen Hoffnungen, die die Hafenwirtschaft noch vor einigen Jahren in dieses Geschäftsfeld gesetzt hatte, allerdings nicht erfüllt. Fünf Jahre ist es jetzt her, seit der Zentralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) seinen Offshore-Hafenatlas veröffentlicht und damit die Ambitionen der Branche manifestiert hat, doch unter dem Strich ist die Zwischenbilanz durchwachsen. „Nach der damaligen Aufbruchstimmung ist vielerorts Ernüchterung eingetreten“, sagt ZDS-Hauptgeschäftsführer Daniel Hosseus. „Unsere Häfen sind in vielen unterschiedlichen Bereichen tätig: Sie verladen Offshore-Großkomponenten, bieten logistische Dienstleistungen an und stehen als Service-Häfen zur Verfügung. Die erhofften Mengen haben sich aber nicht bestätigt.“
Schon früh auf das neue Geschäftsfeld gesetzt hat man in Cuxhaven, wo seit 2007 die „Offshore Basis Cuxhaven“ mit den Offshore-Terminals 1 und 2 entstanden ist. Nach der Insolvenz des Fundamente-Herstellers Cuxhaven Steel Construction und dem Rückzug des Baukonzerns Strabag, der am Standort ursprünglich Schwerkraftfundamente hatte fertigen wollen, war die Stimmung an der Elbmündung vorübergehend getrübt. Das änderte sich voriges Jahr im August: Da verkündete Offshore-Windkraftanlagen-Weltmarktführer Siemens, eine Fabrik zur Turbinenproduktion auf dem Gelände bauen und bis zu 1.000 Arbeitsplätze schaffen zu wollen. Der erste Spatenstich für das Werk soll im Juni erfolgen, der Produktionsstart ist für Mitte 2017 geplant.
Auch Bremerhaven hatte sich zuvor Hoffnungen auf eine Ansiedlung des Turbinen-Herstellers gemacht. Für die Planer des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) ist die Entscheidung des Weltmarktführers, seine Zelte 40 Kilometer weiter nördlich aufzuschlagen, ein herber Rückschlag. Dessen ungeachtet unterzeichnete im Februar die für die Realisierung zuständige Hafengesellschaft bremenports mit dem Hafendienstleister BLG Logistics einen Betreibervertrag für den 25 ha großen OTB, der über 30 Jahre läuft. Ab 2019 könne der neue Schwerlasthafen für die Vormontage und den Umschlag von Offshore-Windkraftanlagen zur Verfügung stehen, hieß es bei der Vertragsunterzeichnung. Diese optimistische Zeitplanung ist seit einigen Wochen unwahrscheinlicher denn je: Mitte Mai verhängte das Verwaltungsgericht Bremen im Eilverfahren einen Baustopp, nachdem der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) zum Jahreswechsel Klage gegen den Bau der Hafenanlage eingereicht hatte. Die Umweltschützer argumentieren, dass sich die ursprünglichen Zielsetzungen des OTB durch die zwischenzeitlich in der Offshore-Branche eingetretenen Entwicklungen ohnehin nicht mehr erfüllen ließen und es somit keine Rechtfertigung gebe, ein Natura-2000-Schutzgebiet mit einer „unflexiblen Betonplatte“ zu beeinträchtigen. Auch das Gericht sieht noch „eine Vielzahl schwieriger Tatsachen- und Rechtsfragen zu klären“, um die es nun im Hauptverfahren gehen soll. Bis dahin dürften keine Bauarbeiten durchgeführt werden, da die Eingriffe möglicherweise irreversibel seien. Darüber hinaus stellten die Richter fest, dass der seit Ende November vorliegende Planfeststellungsbeschluss gar nicht vom Bremer Umweltsenator hätte herbeigeführt werden dürfen: Hierfür sei vielmehr die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes zuständig gewesen.
Dass sich die ursprünglichen Erwartungen manches Hafenstandorts nicht im erhofften Ausmaß erfüllt haben, haben auch die Mitglieder der schleswig-holsteinischen Hafenkooperation „Offshore-Häfen Nordsee SH“ erfahren. „Man muss leider attestieren, dass das Thema Offshore-Windenergie in Deutschland deutlich an Fahrt verloren hat“, stellt Frank Schnabel, Sprecher der Hafenkooperation und Geschäftsführer der Schramm Group, fest. „In Schleswig-Holstein ist in diesem Bereich weniger passiert, als wir uns gewünscht hätten.“ Zwar gebe es mit Helgoland ein Vorzeigeprojekt, doch so manch anderer Hafen im Verbund sei noch nicht zum Zug gekommen.

Ein ausführlicher Bericht zu diesem Thema ist in der Juni-Ausgabe der „Hansa“ (International Maritime Journal) auf den Seiten 74 bis 76 zu lesen.

Bremerhaven: Finanzierung des Offshore-Terminals ist gesichert

Ursprünglich sollte der Bau des Offshore-Terminals Bremerhaven (OTB) rein privat finanziert werden, doch diese Pläne hatte Bremens Wirtschaftssenator Martin Günthner im September für gescheitert erklärt. Jetzt will das Land selbst einspringen: Die für das Projekt benötigte Summe von voraussichtlich 180 Millionen Euro soll ab dem geplanten Baubeginn 2014 über einen Zeitraum von fünf Jahren durch Einsparungen im Landeshaushalt sowie durch Mehreinnahmen erzielt werden. Das hat der Senat in seiner jüngsten Sitzung beschlossen.
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