Unsichere Aussichten für die Ostsee

Der Windpark „EnBW Baltic 2“ ist seit einem halben Jahr am Netz, der Startschuss für „Wikinger“ ist gerade gefallen: Auch in der Ostsee geht es voran beim Ausbau der Offshore-Windenergie. Für die Zukunft des Standorts lassen die derzeitigen gesetzlichen Regelungen allerdings nichts Gutes erahnen.

Die meisten Offshore-Windparks in deutschen Gewässern entstehen nach wie vor in der Nordsee, doch auch in der Ostsee ging es zuletzt voran. Nachdem seit der Einweihung des ersten größeren Ostsee-Projekts „EnBW Baltic 1“ im Mai 2011 gut vier Jahre vergangen waren, nahm Energiekonzern EnBW vorigen September mit „EnBW Baltic 2“ seinen zweiten Meereswindpark offiziell in Betrieb. Alles in allem sind damit in der Ostsee nun 102 Anlagen mit einer Leistung von 338,8 Megawatt (MW) ans Netz angebunden, was etwa zehn Prozent der aktuellen deutschen Offshore-Kapazität entspricht. Die Bauarbeiten für den 350-MW-Windpark „Wikinger“ des spanischen Energiekonzerns Iberdrola haben Mitte März  begonnen, und der deutsche Energiekonzern Eon bereitet aktuell die Investitionsentscheidung für „Arkona Becken Südost“ vor. Sobald auch dieses Projekt umgesetzt ist, wird die in der Ostsee installierte Offshore-Leistung auf knapp 1.100 MW anwachsen sein.
Doch wie geht es danach weiter? Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2014 hat die Bundesregierung die Ausbauziele massiv nach unten geschraubt, und beim Netzausbau steht nach wie vor die Nordsee im Fokus. Laut aktuellem Entwurf des Offshore-Netzentwicklungsplans (O-NEP) 2025, den die Übertragungsnetzbetreiber kürzlich zur Bestätigung an die Bundesnetzagentur übergeben haben, sieht der bereits genehmigte Szenariorahmen für die Ostsee einen Ausbaustand von höchstens 1.900 MW im Jahr 2035 vor: Vor diesem Hintergrund zeichnet sich ab, dass in den kommenden knapp 20 Jahren nur noch zwei bis drei weitere Meereswindparks hinzukommen könnten. Für Andree Iffländer ist das nicht nachvollziehbar. „Es ist uns endlich gelungen, hier nach einer mehrjährigen Startphase eine gewisse Kontinuität zu entwickeln“, sagt der Vorsitzende des in Rostock ansässigen WindEnergy Networks. „Und gerade jetzt, wo wir Know-how aufgebaut haben und durch einen stetigen Ausbau die Kosten senken könnten, werden wir ausgebremst.“ Das EEG und der O-NEP berücksichtigten die Potenziale der Ostsee in keinster Weise, kritisiert er – und das, obwohl der Netzanschluss dort aufgrund der relativen Küstennähe schneller und günstiger umzusetzen sei als in der Nordsee.

Ein ausführlicher Bericht zum Ausbau der Offshore-Windenergier in der Ostsee ist in der April-Ausgabe der „Hansa“ (International Maritime Journal) auf den Seiten 90 und 91 zu lesen.

„Stop-and-Go-Politik gefährdet Zukunftschancen eines ganzen Landes“

Rund 300 nationale und internationale Experten aus den Branchen Windenergie, maritime Wirtschaft und Meerestechnik haben sich in Rostock zur diesjährigen Zukunftskonferenz „Wind & Maritim“ getroffen. Wie schon kürzlich bei der Nationalen Maritimen Konferenz in Kiel forderten die Vertreter der Offshore-Windindustrie erneut mehr Verlässlichkeit und Planungssicherheit von der Politik.

Andree Iffländer

Andree Iffländer

Andree Iffländer (Bild), Vorsitzender des Wind Energy Network, warnte vor einem Ausbremsen der Energiewende vor der Bundestagswahl. Für wahltaktische Rhetorik habe die Branche keine Zeit: „Die derzeit praktizierte Stop-and-Go-Politik der Bundesregierung bei der Diskussion um das Erneuerbare-Energien-Gesetz gefährdet die Zukunftschancen eines ganzen Landes“, machte Iffländer deutlich. Wenn die Energiewende gelingen solle, seien mehr Verlässlichkeit, Vertrauensschutz sowie langfristig stabile Rahmenbedingungen notwendig.
Das Marktforschungsinstitut Windresearch war bereits vor einem knappen Jahr nach Berechnung verschiedener Szenarien zu dem Ergebnis gekommen, dass sich das politische Ziel von zehn Gigawatt installierter Offshore-Leistung bis 2020 selbst im Best-case-Szenario nicht mehr erreichen lasse. An den Szenarien selbst habe sich seither nicht viel geändert, berichtete Geschäftsführer Dirk Briese jetzt beim HANSA-Forum Offshore, das im Rahmen der „Wind & Maritim“ stattfand. „Allerdings haben sich die Wahrscheinlichkeiten durch die jüngsten Diskussionen verschoben“, erläuterte Briese. Um bis 2020 zumindest noch in die Nähe der Zielmarke zu kommen, sei nun ein sehr schnelles Handeln von Politik und allen anderen Beteiligten erforderlich. Würden jetzt nicht rasch die entstandenen Investitionsunsicherheiten ausgeräumt, werde ein Eintreten des Worst-case-Szenarios immer wahrscheinlicher – dann bleibe es bei den drei Gigawatt, die bereits jetzt am Netz beziehungsweise im Bau seien. Briese: „Was dann allerdings mit den 15.000 Beschäftigten passiert, die da dranhängen, weiß ich auch nicht.“

Ein ausführlicher Bericht über die Zukunftskonferenz „Wind & Maritim“ sowie das HANSA-Forum Offshore ist in der Juni-Ausgabe der „Hansa“ (International Maritime Journal) auf den Seiten 78 bis 82 oder hier zu lesen.