Von Anne-Katrin Wehrmann
Plötzlich ist auf dem Grund der Nordsee eine Kiste zu erkennen. „Greif zu“, rufen die Männer in dem kleinen dunklen Kontrollraum an Bord des Schleppers „MPR3″. Aber Jason Ashcraft kann nicht zugreifen. „Ich sehe noch nicht mal das Ende des Arms“, sagt er und starrt angestrengt auf einen der neun Monitore vor sich. Wenige Sekunden später verschwindet die Kiste wieder aus dem Sichtfeld, der Bildschirm zeigt nur noch graues Schneegestöber. Fürs Erste ist die Chance vertan.
Ashcraft ist der Pilot eines ferngesteuerten Unterwasserfahrzeugs, das den Meeresboden nach Munition absucht und mit Kameras sowie Greifarmen ausgestattet ist, um das gefährliche Gut unmittelbar entfernen zu können. Von der „MPR3″ aus startet es zu seinen Erkundungsfahrten. Aktueller Einsatzort: ein kleines Gebiet zwischen Borkum und der unbewohnten Insel Memmert. Hier soll demnächst ein Kabel verlegt werden, das den derzeit entstehenden Offshore-Windpark „Riffgat“ mit dem Stromnetz an Land verbindet. Das Problem ist nur, dass die Trasse in unmittelbarer Nähe einer Versenkungsstelle verläuft, in der nach dem Zweiten Weltkrieg unter Aufsicht der Alliierten deutsche Munition entsorgt wurde. „Eine der größten Schwierigkeiten ist es, dass damals ein guter Teil der Ladung schon auf dem Weg dorthin über Bord geworfen wurde“, sagt Jan Kölbel (Bild), Technischer Leiter des Bereichs Offshore beim Kampfmittelbeseitigungsunternehmen Heinrich Hirdes EOD Services. „Man weiß darum nicht genau, wo tatsächlich wie viel liegt.“ Bisher habe das kaum jemanden interessiert: Durch den Ausbau der Offshore-Windenergie werde die alte Munition nun aber zu einer echten Herausforderung. Bis zu 1,6 Millionen Tonnen konventionelle Kampfmittel liegen bis heute in der deutschen Nord- und Ostsee, davon allein 1,3 Millionen Tonnen im Bereich der Nordsee. Hinzu kommt noch eine geringere Menge an chemischen Kampfmitteln. Das geht aus einem Bericht zur Munitionsbelastung der hiesigen Meeresgewässer hervor, den eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Ende vergangenen Jahres veröffentlicht hat. Dorthin gelangt sind die explosiven Stücke durch Übungen der Streitkräfte, Kriegshandlungen sowie die mehr oder weniger gezielten Versenkungen im Anschluss an die beiden Weltkriege.
Der vollständige Artikel über Munitionsaltlasten in der deutschen Nord- und Ostsee ist im „Weser-Kurier“ vom 14. September nachzulesen.