Offshore-Windparks: Neuer Lebensraum oder Gefahr für die Tierwelt?

Bau und Betrieb von Offshore-Windparks stellen Eingriffe in die Meeresumwelt dar. An einem umfassenden Gesamtbild über die tatsächlichen Auswirkungen auf die marine Flora und Fauna wird derzeit noch gearbeitet.

Ob Makrele oder Hering, Schweinswal oder Hummer, Taschenkrebs oder Alge: Hunderte von Meeresorgansimen leben in der deutschen Nord- und Ostsee, und alle müssen sie sich mit verschiedenen menschlichen Eingriffen in ihren Lebensraum arrangieren. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat mit der Fischerei, Nährstoffeinträgen (Abwässer und Düngemittelreste) sowie Abbau- und Baggerarbeiten drei Hauptgefährdungsfaktoren für die marine Flora und Fauna ausgemacht. In einer im vorigen Mai von der Behörde veröffentlichten Roten Liste der Meeresorgansimen heißt es, dass nur knapp 31 Prozent von 1.700 analysierten Arten nachweislich nicht gefährdet seien. 30 Prozent stehen auf der Roten Liste und gelten somit als gefährdet, bei den übrigen Arten gibt es noch nicht genügend Informationen für eine fundierte Einschätzung. Inwieweit der Ausbau der Offshore-Windenergie langfristig negative – oder am Ende vielleicht sogar positive – Auswirkungen auf die Meeresumwelt haben wird, ist noch nicht abschließend geklärt. Zwar gibt es zahlreiche punktuelle Untersuchungen hierzu, etwa im Rahmen der ökologischen Begleitforschung an den FINO-Forschungsplattformen und im Testfeld „alpha ventus“, doch ein umfassendes Gesamtbild wird es erst dann geben können, wenn mehrere Windparks für einige Jahre in Betrieb gewesen sind und die Forschung fortgesetzt wird. Ein Tier, dem in diesem Zusammenhang seit einiger Zeit eine besonders große Aufmerksamkeit zukommt, ist der als stark gefährdet und streng zu schützend eingestufte Schweinswal, der zum (Über-)Leben zwingend auf sein gutes Gehör angewiesen ist. Nach aktuellem Wissensstand kann bei Schweinswalen durch einen einzigen so genannten Einzelereignisschalldruckpegel, wie er beim Rammen von Fundamenten gleich tausendfach vorkommt, ab 164 Dezibel (dB) eine Hörschwellenverschiebung ausgelöst werden. Eine solche zeitweise Schwerhörigkeit kann zu schweren Störungen bei der Orientierung, der Nahrungssuche und der innerartlichen Kommunikation der Meeressäuger führen. Um die Tiere davor zu bewahren, ist in Deutschland ein Grenzwert von 160 dB vorgeschrieben, den Errichter von Offshore-Windparks mithilfe geeigneter Schallminderungsmaßnahmen einzuhalten haben. Bei den ersten Projekten in hiesigen Gewässern gelang das vielfach trotz des Einsatzes eines Blasenschleiers, bei dem um das Fundament herum auf den Meeresboden gelegte Druckluftschläuche zur Verringerung des Rammschalls Luftblasen erzeugen, noch nicht. Mittlerweile hat sich die Schallschutztechnik nach Aussage von Nico Nolte vom für Genehmigungen zuständigen Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) allerdings „sehr positiv entwickelt“. Bei den Ramm-Arbeiten im vergangenen Jahr sei der Grenzwert fast durchgängig eingehalten worden, sagt der Leiter des Referats Ordnung des Meeres.
Dass Offshore-Windparks nicht nur als Gefahr für die Meeresumwelt zu betrachten sind, sondern bestimmten Organismen auch einen neuen Lebensraum bieten, haben die bisherigen Forschungen bereits gezeigt. Aussagen hierzu sind allerdings nicht pauschal, sondern bestenfalls für einzelne Arten möglich. So gilt für Rast- und Zugvögel, dass sie durch die Windkraftanlagen einen Teil ihres Habitats verlieren können und die Gefahr von Kollisionen mit Rotorblättern besteht. Unter Wasser hingegen dienen die Fundamente als künstliche Riffe, an denen sich „enorme Mengen an Biomasse“ ansammeln, wie Lars Gutow vom Bremerhavener Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) berichtet. „Krebse und Miesmuscheln zum Beispiel siedeln sich extrem schnell an. Insgesamt beobachten wir in den Windparks eine deutliche Zunahme der lokalen Biodiversität.“ Allerdings: Wo Gewinner seien, gebe es üblicherweise auch Verlierer. Eine grundsätzliche Bewertung sei aufgrund der eingeschränkten Datenlage momentan noch nicht möglich.

Ein ausführlicher Artikel zu diesem Thema ist in der Januar-Ausgabe des Magazins „neue energie“ auf den Seiten 32 bis 37 zu lesen.